Mit der Fußballweltmeisterschaft in Russland ist endgültig eine neue Ära angebrochen.
Die alten Weisheiten zählen nicht mehr, und nicht nur Deutschland hat das schmerzlich erfahren. Von wegen, wer im Ballbesitz ist, der gewinnt: Die als Tiki-Taka berühmt gewordene Taktik, die vor allem von der spanischen Nationalmannschaft und dem lange Zeit dominanten FC Barcelona populär gemacht worden ist, hat sich in diesem Sommer endgültig als Pleite erwiesen.
Die Warnzeichen waren schon länger da. Nach 14 Titeln in der vier Jahren, darunter zwei in der Champions League, schien „Barça“ lange Zeit schier unbezwingbar. Lionel Messi und der Rest der Mannschaft waren andauernd in Bewegung und hielten mit ihrem Kurzpassspiel den Ball den Großteil der Zeit in den eigenen Reihen. Doch im April 2018 platzte die Erfolgsblase. Zum ersten Mal seit 2007 verpasste Barcelona den Einzug ins Halbfinale der Champions League. Statt der Tiki-Taka-Zauberer hieß der Sieger im Viertelfinal-Rückspiel Atlético Madrid.
Spaniens Nationalmannschaft wurde auch in Folge dieser bitteren Erfahrung umgekrempelt. Statt sich nur auf einen Kern aus Barcelona-Spielern zu verlassen, setzte der iberische Coach auch auf mehr Spieler von Real Madrid. Das Ergebnis: Spanien fegte in einem furiosen Spiel den künftigen Vizeweltmeister Kroatien mit 6:0 vom Platz.
In der Transfersaison hat sich das ebenfalls bemerkbar gemacht. Real Madrid war lange Zeit am polnischen Mannschaftskapitän und Bayernstar Robert Lewandowski interessiert. Doch stattdessen wurde Marianos Vertrag verlängert.
Teams, die weiterhin ihre gesamte Strategie auf Ballbesitz ausrichteten, erging es bei der WM ähnlich wie Barça gegen Atlético Madrid.
Fast 70 Minuten lang waren die Deutschen in Kasan im Spiel gegen Südkorea im Ballbesitz. 633 Pässe spielten sie sich zu, quer, zurück, um den Strafraum herum … Doch das konnte die Niederlage nicht abwenden. Mit 0:2 schlich der als Favorit auf den Titelerhalt angereiste Weltmeister vom Feld. Zum ersten Mal in 84 Jahren WM-Geschichte kam das Aus für die Deutschen bereits in der Vorrunde.
Fußballlegende Lionel Messi, der sein Tiki-Taka-Spiel auch mit der argentinischen Elf weiterverfolgte, musste seine Titelhoffnungen ebenfalls begraben. Elfmal schoss er allein im Auftaktspiel gegen Island aufs Tor. Im Netz landete der Ball nicht ein einziges Mal.
Auch für Spanien zeigten sich die Folgen der gelegentlichen Rückkehr zum Tiki-Taka. Im Achtelfinale gegen Russland war das runde Leder zu 75 Prozent im Besitz der Spanier, und der Gastgeber ging als Sieger hervor. Im Spiel gegen Marokko war der Ball 68 Prozent der Zeit im Besitz der Spanier, und das Match endete 2:2.
Und die Zukunft? Vertikaler, geradliniger Fußball soll den Tiki-Taka-Stil ablösen. Vielleicht klappt es dann auch wieder für Deutschland und Co.